Sonntag, 28. August 2016

Opulenter Faust aus Salzburg als Video in der Mediathek













Zum Abschluss der diesjährigen Salzburger Festspiele hat 3sat gestern einen kompletten Mitschnitt der diesjährigen Neuproduktion des Faust von Charles Gounod gezeigt, dieser ist jetzt für eine Woche in der Mediathek des Senders kostenfrei abrufbar! Der erste Eindruck von der Inszenierung von Reinhard von der Thannen, der hier auch als sein eigener Kostüm- und Bühnenbildner agiert, bleibt allerdings merkwürdig unentschlossen. Optisch bietet die Aufführung durchaus viel, die weite Bühne des Großen Festspielhauses wird gekonnt bespielt, aber von einem analytischen Zugriff auf das Riesenwerk kann leider keine Rede sein. Weder gibt es tiefere Einsichten über den Stoff zu vermelden, noch darüber, warum die Oper gerade jetzt erstmals in den Salzburger Spielplan aufgenommen wurde, was ja repertoiretechnisch durchaus zu begrüßen ist. Die Protagonisten und auch der Chor sind über weite Strecken gut geführt, manche Details wirken dennoch merkwürdig unausgearbeitet und nahe am Klischee. Man wähnt sich im Laufe des langen Abends immer mehr in einer weichgespülten Fortsetzung des Bayreuther Ratten-Lohengrins von Hans Neuenfels aus dem Jahr 2010, der ebenfalls von Reinhard von der Thannen ausgestattet wurde. Nur dass dort ein wagemutiger Künstler-Regisseur, den schwelenden Konflikten zum Ausbruch verholfen hat und das eben manchmal auch mit der Brechstange. Ach, hätte man doch in Salzburg Hans Neuenfels mit ins Regieteam verpflichtet, er hat doch diesen Sommer frei. Die Aufführung hätte große Chancen gehabt, ein Ereignis zu werden. Die richtig zündende Gesellschaftskritik gab es im vielgerühmten Lohengrin damals übrigens auch nicht, da waren auch eine Menge Oberflächenreize im Spiel. Vom Kunstgewerbe zur Kunst ist es eben manchmal nur ein kleiner Schritt, aber zurück eben auch! Besetzungstechnisch müsste man dann aber für Tenor Piotr Beczala eine Alternative finden, denn der führt ja bekanntermaßen eine schwarze Liste von weniger werktreuen Regisseuren, mit denen er nicht arbeitet und Hans Neuenfels dürfte auf dieser im oberen Mittelfeld zu finden sein. Das wäre wirklich schade, denn er macht seine Sache als Faust richtig gut, das ist mehr als rollendeckend, große Präsenz und schöne Stimmführung bis in die Höhe hinauf. Auch Ildar Abdrazakov als Mephisto überzeugt mit einer virilen Darstellung und einer ausgewogenen Stimmführung. Keinen ganz guten Tag hatte Maria Agresta, in deren Solonummern hin und wieder Grenzen aufscheinen, ihrer Figur hat Gounod mit der Maguerite allerdings auch eine Hammerpartie geschrieben, an die sich schon ganz andere Sängerinnen nicht rangetraut haben. Orchester und Chor sind unter der der besonnenen Leitung von Alejo Pérez in der richtigen Mischung von souverän bis prachtvoll disponiert. Alles in allem haben Freunde der opulenten französischen Musik des 19. Jahrhunderts einen schönen Abend und das ist doch auch schon mal was.

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